FEIERABEND - feuerrote Haare und ein Fahrrad

 

„Hallo – ich bin da!“

Scheppernd fällt die Haustür  ins Schloss, der Hund hebt schläfrig den Kopf: ein weißer Rüde, kalbsgroß mit langem Fell. Er horcht, gähnt und streckt sich, dann läuft er, Schwanz wedelnd, übers Parkett.

„Hallooo!“ Anne erklimmt die kleine Wendeltreppe zum Obergeschoss: langsam erscheint erst ihr leuchtend roter Schopf, dann das fröhliche Gesicht mit den immer leicht rötlichen Wangen und dem breiten Lächeln. „Ach, da is´ ja mein Stinkerchen – wo ist denn der böse Hund – wo ist denn der böse Hund … Fünfmal und öfter wiederholt sie den Satz, bis das Tier versteht.

Unterdessen herzt sie den Rüden, der verzückt versucht ihr Gesicht zu lecken: „Guck mal er gibt Küsschen – isser nicht süß!
Claus blinzelt bei dem Versuch eine Träne zurückzuhalten: Die Zwiebelhälften müssen in kleine Würfelchen zerteilt werden bevor sie ins heiße Olivenöl wandern.

„Und mein anderes Stinkerchen, den Tränen nahe!“ Anne drückt Claus einen Kuss auf die Stirn: „ einen Hunger hab ich - ist das Essen bald fertig!“
„In `ner viertel Stunde,“ entgegnet Claus und gibt die Zwiebeln zum Speck in die Pfanne. Behände öffnet Anne den Hängeschrank über dem Kühlschrank, greift eine Dose Ölsardinen heraus, fischt ein Gabel aus dem Besteckkasten und langt im vorübergehen nach der Zeitung, die neben dem Brettchen liegt, auf dem jetzt Möhren zerkleinert werden.

Tippelnd läuft Anne übers Parkett, dass eigentlich ein Laminat ist, zur Terrasse. Mit ihren prächtigen Brüsten teilt sie die Luft, stolz, die Schultern zurückgenommen, das Wiegen ihrer Hüften ist dezent, zwar rhythmisch, nicht aufdringlich, jedoch aufreizend, das Hinterteil ist wohlgeformt und ihre Schenkel sind kräftig.

"Das kommt von den langen Krankenhausfluren", behauptet Anne, wenn die Sprache auf ihre kräftigen Waden kommt.
Durch die Küchentür beobachtet Claus, wie sich Anne in einen Korbstuhl fallen lässt, über den ein Sonnenschirm seinen kühlen Schatten wirft. Aus Pflanzkästen wachsen wilde Kornblumen, Thymian wuchert neben Sonnenblumen, in einer Zinkwanne wachsen Rosen.
Nebenan, die Kastanie, die mit ihren großen fächerförmigen Blättern winkt: - Leise seufzend genießt der Baum den lauen warmen Wind, der ihm durch die Krone streift.

Anne schlägt die Zeitung auf und pickt blindlings mit den Fingern die Sardinen aus der Dose.
`Es ist wichtig zu wissen was in der Welt vorgeht´, bemerkt sie gelegentlich und studiert gewissenhaft die Berliner Tageszeitung und außerdem ein renommiertes westdeutsches Wochenblatt.

Ein fernes Summen wird bald zu einem starken Brummen und schwillt, schnell näher kommend, zu hämmerndem, Ohren betäubenden Lärm:
- Bedächtig schiebt die dreimotorige „Tante Ju“ ihren massigen metallischen Körper über den Dachfirst. Ihre Ballonreifen streifen um ein Haar die Kastanie.

Anne schaut von der Zeitung auf und winkt freundlich: dem Piloten zu.
Das Essen ist fertig, die Teller stehen auf dem Tisch!  - Claus bringt die Pfanne mit den Pilzen und Speck. Anne senkt jetzt die Zeitung für eine Moment: „ich möchte `ne Cola!“

Auf dem Rückweg vom Herd bringt Claus die Cola und auch Bier. Es ist nicht aussergewöhnlich, dass Anne während des Essens Zeitung liest, gilt es doch, sich möglichst umfassend zu informieren: um mitreden zu können.

„Schmeckts?“

Hinter der Zeitung ein Brummen: - - „Was?“

„Das Essen!“

- „Oh ja – jaja!“

„Kai hat vorhin angerufen, er sagt, dass morgen die Widerspruchsfrist abläuft und du ihn unbedingt heute zurückrufen sollst - wegen der Zeugen - er braucht Namen und …“

„Hör mal, ich komm gerad’ von der Arbeit und da kommst du mir mit dem Mist - such du halt die Adressen raus – ich brauch jetzt erst mal meine Ruhe, schließlich strampele ich mich den ganzen Tag über ab!“ Anne ist ein wenig lauter geworden und Claus schaut zur anderen Dachterrasse herüber, auf der einige Thujapflanzen ein stilles Dasein fristeten. Auf der Nachbarterrasse ist kein Mensch: Niemand.

Lächelnd lässt Anne die Zeitung sinken: „Stell dir vor, was mir heute passiert ist, - vorhin vorm EDEKA - hier an der Ecke!

- Ich schließ´ gerade mein Fahrrad an, da kommen zwei jungsche Türken vorbei und reden ganz unverblümt - über mich, zeigen mit dem Finger auf mich::

- siehste Alta, das mein’ isch, das is’ so typisch Kreuzberger deutsche Tussi, mit feuerrote Haare und alte Fahrrad – so `ne richtige Feuervotse!


Ich dacht´: ich hör´ nicht richtig – Feuervotse! ham’ die zu mir gesagt!!!! – Stell dir vor, was machst `n da - weghörn - draufschlagen!!?“
Claus schüttelt mit betroffener Miene den Kopf: „Weißt ja, das es nichts bringt sich mit denen anzulegen …“

„Ach was - ich krieg’n Hals wenn ich an DIE denke – ich könnt sie niederwalzen mit meinem Dienstwagen – diese respektlose Brut – schließlich pflege ich den ganzen Tag die Trümmerfrauen, die dieser Republik Stein für Stein wieder ausgebuddelt haben - lege hier nen Katheder, entleer dort nen Darm und die kommen daher und ham nichts zu tun als …“

„ Jetzt aber mal halblang, Anne!“ Claus stellt zwei Flaschen Bier auf den Tisch. - Du solltest mal entspannen nach deiner Arbeit – am besten erst Mal die Füße hoch legen  - und den lauen Sommerabend genießen – komm lass uns anstoßen – auf das Glück dass wir haben – außerdem gibts was zu feiern: ich hab heute etwas verkauft – eins von den Bildern mit den Blumen drauf!“

„Ach – schön, das freut mich für dich, - - na dann prost!“ Anne lacht versöhnlich, die Flaschen klirren: „Apropos – fast hätt ich´s vergessen, ich hab doch heut noch Stammtisch - vom Kiez! - Ne kleine Feier mit den Kollegen – ich muss gleich noch mal los - und keine Sorge: ich nehm das Fahrrad!!!“

nach oben